Kinder- und Jugendanwaltschaft zur aktuellen Diskussion
"Die beste Jugendwohlfahrt kann niemals alle Fälle familiärer Gewalt verhindern"

Graz (28. September 2012).- Die Kinder- und Jugendanwaltschaft Steiermark weist seit zwei Jahren auf eine Zunahme problematisch verlaufender Jugendwohlfahrtsfälle sowie die schwierigen Bedingungen, unter denen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter ihre Arbeit leisten müssen, hin (siehe Tätigkeitsbericht der Kinder- und Jugendanwaltschaft Steiermark 2010 und 2011).
„Der in den letzten Jahren sich verengende Fokus auf ,familiale' persönliche Gewalt blendet die enormen Auswirkungen von struktureller Gewalt aus. Jugendwohlfahrtsarbeit ist vor allem Beziehungsarbeit – dafür braucht es Zeit, regelmäßigen Kontakt, ausreichend Personal mit Fach- und Beziehungskompetenz, ein vielfältiges, unkompliziert nutzbares Hilfeangebot und einen niederschwelligen, nicht stigmatisierenden Zugang zu diesen Hilfen", so die steirische Kinder- und Jugendanwältin Brigitte Pörsch.
„Steigendes Kontrollbedürfnis (durch ein Übermaß an Regelung), unrealistische Sicherheitserwartungen (durch hohen Dokumentationsaufwand) und eine steigende Angst vor Fehlern aufgrund der zunehmenden Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, lassen das Jugendwohlfahrtssystem starr werden. Mängel in anderen Systemen, beispielsweise Schule, führen durch die notwendig gewordene Kompensation dieser im Rahmen der Jugendwohlfahrt zur Erschöpfung dieses Systems. Die erneute Zunahme von Armut und Bildungsbenachteiligung verschärfen die Situation und schädigen Kinder und somit die Gesellschaft nachhaltig", erklärt Pörsch
Jugendwohlfahrt kostet. Aber viel mehr kostet eine Jugendwohlfahrt, die „Fälle" nur verwaltet, Zeit und Geld in den Widerstand von Klienten investieren muss, die mangels Vertrauen und Beziehung zwar Kontrolle über sich ergehen lassen müssen, aber sich so nicht auf eine konstruktive Arbeitsbeziehung einlassen können. Das Team der Kinder- und Jugendanwaltschaft Steiermark bietet seit Jahren ihre Mitarbeit an der Gestaltung einer „neuen" Qualität von Jugendwohlfahrt an, die „gutes Altes" integriert, aus Fehlern und Erfolgen lernt, vor allem aber wieder zu einer grundsätzlich wertschätzenden Haltung und einem empathischen Zugang zu Familien, die ohnehin belastet sind, führt und die selbstverständliche Beteiligung dieser Familien und den konstanten Dialog mit ihnen fördert.
Kindeswohlgefährdung ist die Folge von familialer Überforderung an strukturellen Gegebenheiten.
Für weitere Informationen steht Ihnen die steirische Kinder- und Jugendanwaltschaft unter 0316/877-4921 zur Verfügung
Graz, am 28. September 2012