Menschenrechte und Terrorismus
46 europäische Staaten haben die Menschenrechtskonvention ratifiziert
Graz. – Die heutige Veranstaltung „Ständiger Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte – Menschenrechte und Terrorismus“ in der Grazer Burg versteht sich als steirischer Beitrag zum „Tag des Rechtsstaates und der Grundrechte“. DDr. Elisabeth Steiner, österreichische Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, thematisierte in ihrem Vortrag das Spannungsfeld Menschenrechte und Terrorismus. „Die europäische Menschenrechtskonvention wurde hauptsächlich etabliert, um die Demokratien gegen die totalitäre Bedrohung durch den kalten Krieg zu schützen. Nicht erst seit den schrecklichen Terrorakten wie dem 11. September ist der Europäische Gerichtshof gezwungen, die Relation zwischen der Konvention und der Notwendigkeit den Terrorismus effizient zu bekämpfen, neu zu betrachten“, legte Steiner gleich zu Beginn des Vortrages den Finger in die offene Wunde. Denn Terrorismus unterminiere Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, also die Eckpfeiler der Menschenrechtskonvention. Die logische Konsequenz sei daher, dass sich jene demokratisch regierten Staaten, die auf Rechtsstaatlichkeit basieren, sich selbst gegen Terrorismus schützen können müssen. „Der Gerichtshof bemüht sich, einen notwendigen Ausgleich zu schaffen, zwischen den Schutzmaßnahmen, die getroffen werden müssen und der Notwendigkeit, jene Rechte und Freiheiten zu erhalten, ohne die es keine Demokratie gäbe“, ist sich Steiner des Spannungsfeldes bewusst. „Allerdings gibt es Rechte, die absolut zwingend eingehalten werden müssen wie z.B. das Verbot von Folter und menschenunwürdigen oder erniedrigenden Behandlungen.“
Problematisch ist aber die Tendenz von Staaten, sich auf einen öffentlichen Notstand, der den Erhalt der Nation bedroht (Artikel 15), zu berufen. Jüngstes Beispiel ist England. Dort dürfen des Terrorismus verdächtige Personen bis zu 28 Tage ohne Anklage festgehalten werden. Wo bleibe da die angestrebte Verhältnismäßigkeit, merkte ein kritischer Diskussionsteilnehmer an. Hier konterte Steiner, dass „der Artikel 15 keine blanke Ausnahme von Bedingungen der Menschenrechtskonvention sein kann.“ „Wir prüfen bei allen Beschwerden, die an uns herangetragen werden, die Verhältnismäßigkeit der gesetzten Maßnahme.“
Derzeit haben 46 europäische Staaten die Europäische Menschenrechtskonvention ratifiziert. Steiner: „Menschenrechte zur belebten Wirklichkeit im Alltag zu machen, stellt gewissermaßen einen Dauerauftrag der demokratischen Gesellschaft dar. Denn die Menschenrechte und deren kluge Aktualisierung und Anwendung gehören zum wichtigsten Erbe der gesamten Menschheit.“
Steiner sagte, sie sei stolz, dass über 800 Millionen Menschen Zugang zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte haben. Die Kehrseite sei allerdings, dass mit ständig steigender Zahl der Beschwerden (rund 40.000 pro Jahr) aber gleichbleibendem Budget nun bald der Plafond der Leistungsfähigkeit erreicht sei. Derzeit werde intensiv darüber nachgedacht, wie man diese große europäische Errungenschaft der Individualbeschwerde auch in Zeiten der Budgetknappheit erhalten könne.
(zu den O-Tönen)
Graz, am 9. Mai 2006
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