"Krebsgeschwür" Folter nie endgültig besiegt
Veranstaltung anlässlich des Tages des Rechtsstaates und der Grundrechte
Graz.- „Die Anwendung von Folter ist wie ein Krebsgeschwür, das zwar bekämpft werden, aber immer wieder von Neuem und völlig unvermutet auftreten kann.“ Diesem Zitat Jean Jacques Gautiers, einem Schweizer Banker, der erfolgreich für die Idee der Folterprävention kämpfte, schlossen sich Landesamtsdirektor Univ.-Prof. Dr. Gerhart Wielinger und die beiden Referenten der heutigen Diskussionsveranstaltung in der Grazer Burg Univ.-Prof. Dr. Bernd Christian Funk vom Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien und Ass.-Prof. DDr. Renate Kicker vom Institut für Völkerrecht und Internationale Beziehungen der Karl-Franzens-Universität Graz vorbehaltlos an. Als Beitrag zum „Tag des Rechtsstaates und der Grundrechte“ beleuchtete die Veranstaltung „Verbot von Folter und unmenschlicher Behandlung“ den Status Quo in Europa und der westlichen Welt.
„Die Diskussion, ob das Folterverbot ein absolutes ist oder ob es zur Wahrung des Rechtsstaates bei terroristischen Angriffen oder zur Rettung des Lebens von Menschen eingeschränkt werden darf, führt nicht mehr allerorten zu einem eindeutigen Ergebnis,“ berichtete Renate Kicker, Trägerin des Menschenrechtspreises des Landes Steiermark 2004 und österreichisches Mitglied des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter (CPT). Das Komitee richtete daher einen dringlichen Appell an alle Staaten, unter keinen Umständen Handlungen ihrer Organe zu dulden, die als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu werten sind oder gar in Folter ausarten. Die Höchstrichter Englands, die sogenannten Law Lords, kritisierten in diesem Zusammenhang die nach dem 11. September 2001 eingeführte Antiterrorgesetzgebung in Großbritannien, die eine unbegrenzte Inhaftierung von verdächtigen Terroristen ermöglicht, als mit den Grundsätzen eines Rechtsstaates nicht vereinbar. Eine solche Gesetzgebung bedrohe das Leben der Nation mehr als der Terrorismus, brachte es einer der Höchstrichter auf den Punkt.
„1776 hat Kaiserin Maria Theresia per Dekret die Folter als legitimes Mittel des Verhörs verboten“, sagte Bernd Christian Funk. „Damals war das eine Sensation. Heute diskutieren wir wieder darüber, ob der Frankfurter Vizepolizeidirektor, der den Entführer des jungen Jakob Metzler mit Folter bedroht hatte, rechtens handelte. Ich halte das für einen Rückschritt. Der Wert der unter Folter erpressten Informationen ist sehr ungewiss. Gewiss ist nur eines: wenn es Folter gibt, ist auch dem Missbrauch von Folter Tür und Tor geöffnet.“ Interessant war auch der Beitrag von Diskutanten, die das geltende Folterverbot sogar als Schutz für die ermittelnden Beamten ansehen. Der Druck eines von Massenmedien aufgestachelten Mobs, die Beamten bei der Aufklärung von Verbrechen zu härteren Maßnahmen anzufeuern, könnte sogar zu einer großen Belastung für die Verantwortlichen ausarten.
Landesamtsdirektor Gerhart Wielinger prangerte u.a. das US-Gefangenenlager auf der kubanischen Insel Guantanamo an. „Menschen, in Staaten abzuschieben, wo Folter möglich ist, ist ein übler Trick. Es ist beklemmend, zu sehen, wie die Vereinigten Staaten, die soviel zur Niederschlagung des Nazi-Terrorregimes beigetragen haben, sich von ihrer eigenen humanitären Tradition verabschieden.“ Wielinger warnte aber auch von einer Verschlechterung der Menschenrechtssituation in Österreich. „Wenn der Staat um jeden Preis zurückgedrängt wird, leiden auch die Menschenrechte“, spielte Wielinger auf den Personalmangel in Österreichs Gerichten, Gefängnissen und Asylbehörden an.
Graz, am 11. Mai 2005
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