Von Heldentum bis zur Selbstgefährdung
Vortrags- und Diskussionsnachmittag zum sensiblen Thema "Zivilcourage"


Graz.- Die überaus aktuelle Problematik „Zivilcourage – Von Heldenmut bis zur Selbstgefährdung“ war das zentrale Thema, mit dem sich auf Einladung des „Kuratoriums Sicheres Österreich – Landesklub Steiermark“ (KSÖ) und von Landeshauptmann Waltraud Klasnic eine hochkarätig besetzte Expertenrunde am Mittwoch (12. November 2003) im Weißen Saal der Grazer Burg auseinander setzte. Mit einer Medaille für besonders couragiertes Verhalten ausgezeichnet wurden zu Beginn der Veranstaltung drei Steirer, die, wie es KSÖ-Präsident Flughafendirektor Mag. Gerhard Widmann anschaulich formulierte, „dem abstrakten Begriff Zivilcourage durch ihr Eintreten ein Gesicht verliehen haben.“
Sämtliche vom KSÖ ebenso wie von der Aktion „Sichere Steiermark“ gesetzten Initiativen würden, so Landeshauptmann Waltraud Klasnic in ihrer Begrüßungsansprache, der Bevölkerung das Gefühl vermitteln, dass jemand da ist, auf den man sich verlassen kann. Ihr ganz besonderer Dank galt den drei Ausgezeichneten. Walter Fröhlich hatte in Tschechien in der Nähe der Stadt Olmütz ohne zu zögern todesmutig ein Unfallopfer aus einem brennenden Autowrack gezerrt und ihm so das Leben gerettet, Michael Fink und Florian Sassmann haben in Graz, der eine in der Schönaugasse, der andere in der Leechgasse, sofort auf Hilferufe älterer Damen reagiert, Handtaschenräuber verfolgt und ihnen die Beute wieder abgenommen.
Die vier Referenten, Sicherheitsdirektor Mag. Josef Klamminger, der bekannte Wiener Psychiater und Psychotherapeut Prof. Dr. Stephan Rudas und der frühere Chefredakteur der Kleinen Zeitung, Dr. Fritz Csoklich sowie Manfed Niederl von der Lokalredaktion der Steirerkrone stellten dem Publikum ihre Zugänge zu diesem Thema dar. Dabei spannten sie den weiten Bogen von den rechtlichen Grundlagen (Klamminger: „Helfen zwischen gesetzlicher Verpflichtung und moralischer Verantwortung – die rechtliche Situation“) über die psychologischen Vorgänge im Menschen in einer spontan eintretenden Situation (Rudas: „Helfen oder wegschauen – was beeinflusst die Entscheidung?“) bis zur Rolle und Aufgabe der Medien (Csoklich/Niederl: Helden und Opfer im Licht der Medien“).
Sicherheitsdirektor Mag. Josef Klamminger verstand es eindrucksvoll, die Gesetzesmaterie von Notwehr über Nothilfe bis zum Strafgesetzparagrafen des „Im Stich lassen eines Verletzten“ und der „Unterlassung der Hilfeleistung“ an Hand von Beispielen anschaulich darzustellen.
Fasziniert zeigte sich das Publikum von den tiefenpsychologischen Erkenntnissen des Wiener Seelenforschers Dr. Stephan Rudas. Das Gegensatzpaar Helfen oder Wegschauen wird als erstes vom Erkennen der Notsituation bestimmt. Wird die Situation als nicht einschreitungswürdig realisiert, erfolgt keine Entscheidung. Wird sie erkannt, erfolgt eine Abwägungsphase („Kann ich etwas bewirken oder nicht?“), dann die Entscheidungsphase gefolgt von der Durchführung.
Bestimmt wird das Handeln in Grenz- und Notsituationen von inneren Verhaltensmustern, die , so Dr. Stephan Rudas, bis zum dritten Lebensjahr durch Erziehungseinflüsse bereits ausgeprägt sind. „Wenn ein Kind nie ein Risiko ausleben durfte, wird es auch später mutlos reagieren.“ Der Psychiater bescheinigt den Österreichern, im internationalen Vergleich bezüglich Hilfe und Zivilcourage durchschnittlich gut dazustehen, schränkt aber seine Aussage dahingehend etwas ein, dass die Österreicher mit der Bürokratie, die sie im Herzen tragen würden, ganz gerne ein „Ruft die Polizei-Amt“ hätten. Mit einem Forschungsergebnis, das nicht nur nachdenklich stimmt, sondern echte Betroffenheit erzeugt, konnte der Psychiater zusätzlich aufwarten: „Bei blutend auf der Straße liegenden Unfallopfern ist für die meisten Dazukommenden der Hauptgrund, nicht zu helfen, nicht die vordergründige Angst vor einer Aids-Infektion, sondern die Angst, sich schmutzig zu machen.“
Chefredakteur Dr. Fritz Csoklich vertrat die Meinung, dass die öffentliche Meinung das Verhalten in Extremsituationen mit prägen würde. „Wir erhalten weitaus mehr Informationen, als wir verarbeiten können, die verschwinden irgendwo im Unterbewusstsein, belasten das Gedächtnis, bringen aber nichts für eine Entscheidungsfindung.“ Die Massenmedien, allen voran das Fernsehen, würden auch den sozialen Rang der Menschen bestimmen, was in der Folge zu einer verzerrenden Rangordnung in der Gesellschaft und zu anderen Verhaltensweisen in Notsituationen führen würde.
Manfred Niederl schöpfte aus seiner dreißigjährigen Erfahrung als Lokalredakteur. Die Personengruppen Täter – Opfer – Helfer sind Bestandteile seiner täglichen Berichterstattung, er müsse aber gerade jenen vielen Helfern, die in einer dramatischen Situation ohne jedes lange Nachdenken weit über sich selbst hinausgewachsen sind, eine große Anerkennung aussprechen: „Sie sind es, die Heldenhaftes geleistet haben und aus Bescheidenheit in der medialen Berichterstattung am liebsten gar nicht erwähnt werden möchten.“
Graz, am 13. November 2003
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